Der Spiegel Kolumnist Sascha Lobo beschreibt in einem Artikel aus dem April 2025, wie Meta und Google gerade die Werbung automatisieren: dabei werden in naher Zukunft alle Abläufe inklusive der Produktion von Creative und Copy sowie das Testing von Iterationen komplett übernommen. Viele Kund:innen der Plattformen, also die Shopbetreiber:innen selbst, bräuchten dann streng genommen keine Agenturen mehr.
Large Language Models haben die Werbemittelproduktion aber schon etwas länger auf den Kopf gestellt. Das begann mit dem automatisierten Targeting und ging weiter mit generierten Produkt-Beschreibungen und Werbecopys, über Produktbilder und Inszenierungen bis hin zu ganzen Werbefilmen und Influencer-Produktempfehlungen. Und das ist der Stand unserer Gegenwart.
Durch die massenhafte Produktion jedoch könnte der Effekt sehr schnell wieder verpuffen: Denn wenn unsere Feeds von den immergleichen Inhalten überlaufen sind, werden die Inhalte auch umso schneller entwertet. Das könnte zu Regulation führen oder zu einem immer kürzeren Zyklus neuer Formate und deren Abnutzung. Der Effekt ist heute schon zu beobachten, wir sprechen dabei bei KI-generierten Content und Ads von AI Slop.
Schauen wir uns zunächst die Möglichkeiten an, die der Werbemittelproduktion heute zur Verfügung stehen.
Anwendungen synthetischen Werbeformaten
1. KI-generierte Produktvisualisierungen
Moderne Generative-KI-Modelle wie Midjourney revolutionieren die Produktpräsentation. Ein Sportschuhhersteller kann nun nicht mehr nur verschiedene Farbvarianten, sondern komplette Lifestyle-Szenarien in Sekundenschnelle visualisieren. Diese Technologien ermöglichen:
- Kontextbezogene Produktinszenierungen
- Sofortige Variation von Stilrichtungen
- Komplette Produktvisualisierungen mit Text
- Die Möglichkeiten gehen weit über das Erstellen von Standbildern hinaus, mithilfe von Video-Tools wie runway oder Veo-2 lassen sich cineastische Videos erstellen, die von echten Filmproduktionen unter einigen Bedingungen in nichts mehr nachstehen
2. Synthetische Influencer und digitale Markenbotschafter
Die Ära der KI-Influencer hat längst begonnen. Charaktere wie Lil Miquela zeigen das enorme Potenzial aus der Sicht von werbetreibenden Unternehmen:
- Vollständige Kontrolle über Markenimage
- Keine Vertragslimitierungen oder Skandalrisiken
- Globale, mehrsprachige Kommunikationsfähigkeit: Diese synthetischen Persönlichkeiten werden zusehends komplexer. Sie entwickeln eigene Narrative, Persönlichkeitsprofile und können kulturell hochsensibel kommunizieren.
Nicht alle Menschen erkennen den Ursprung
AI-generierte Bilder und Videos nehmen bereits heute ihren Platz ein in unseren Feeds. Gleichzeitig erkennen wir AI Bilder oft an ihren Mustern, der Komposition und möglicherweise an kleineren Fehler.
Dass diese Erkennung jedoch bei allen Menschen funktioniert, darf bezweifelt werden. Laut einer Studie von Forschenden an der Universität Bochum, der Universität Hannover und der TU Berlin jedenfalls erkennen die meisten Menschen KI-generierte Inhalte eben nicht. Zudem steigt die Qualität der Inhalte weiter an, also könnte es auch irgendwann für Branchenkenner zusehends schwierig werden.
Es stellt sich also die Frage, was die massenhafte Produktion von KI-generierten Inhalten haben könnte. Gehen wir das einmal durch, am Beispiel von digitalen Werbeformaten.
Mögliche Effekte von KI-generierten Werbemitteln
- Eine erhöhte Abnutzung (niedrigere Klickraten) besonders beliebter Formate wie zum Beispiel UGC-Videos mit synthetischen Influencer:innen, die in die Kamera sprechen und Produkte beschreiben.
- Regulation der Plattformen, sofern diese einen negativen Effekt auf die Nutzbarkeit ihrer Ökosysteme feststellen. Zum Beispiel in dem möglichen Fall, wenn organische Inhalte unter den synthetischen leiden.
- Politische Regulation, nachdem aufsehenerregender Betrugsfälle oder politisch motivierten Manipulationsversuche die öffentliche Wahrnehmung auf sich gezogen haben
Die Zukunft visueller Kommunikation
Sicher ist, dass die Produktion von Werbemitteln mithilfe von AI-Tools viele alte Standards auf den Kopf stellt. Wer benötigt noch teure Produktfoto-Shootings oder Filmproduktionen, wenn diese sich auch synthetisch erledigen lassen? Vielleicht nicht in allen Fällen, aber in vielen wird das wohl mithilfe von modernen generativen Tools und Expert:innen, die sie bedienen können, erledigt werden können.
Parallel dazu werden jedoch Debatten um die Glaubwürdigkeit und Regulation sehr schnell an Fahrt aufnehmen, nachdem erste Skandale mit Betrugsfällen und Täuschung von Konsument:innen die Gefahren in die öffentliche Wahrnehmung gerückt haben.
Es wird zu einer neuen strategischen Herausforderung, echte Authentizität herauszustellen. Möglicherweise werden Formate entstehen, in denen die Echtheit gegenüber generierten Inhalten zum Qualitätsmerkmal wird. Die Kreativität von Werbetreibenden und Medienschaffenden wird auf die Probe gestellt sein, da sie wohl immer wieder erneut von der technologischen Entwicklung eingeholt werden könnte.
Analog dazu, wie zum Beispiel die Stockfotografie zu einer moderneren Bildsprache mit Überbelichtung und modeluntypischen Personas und klischeefreier Szenen geführt hat, könnte auch durch die AI-Generierung eine neue Ästhetik entstehen. Nennen wir sie die Post-AI Kreativität.
Pro Tipps
- Investiere bereits heute in die Glaubwürdigkeit deiner Marke: Verzichte auf die bewusste Täuschung deiner Kund:innen, etwa durch vermeintlich echte Avatare. Beim Einsatz von generierten Inhalten könnten gut sichtbare Transparenzhinweise helfen.
- Entwickle neuartige Formate, die von größtmöglicher Authentizität geprägt sind. Versuche dabei antizyklisch zu denken und setze nicht weiter auf Formulierungen oder Szenen, die bereits heute von einem starken Klischee geprägt sind, sondern versuche diese durch eine neue visuelle und inhaltliche Sprache zu ersetzen.
